Mit Quadratischem Voting zu faireren Abstimmungen?!

Zuletzt aktualisiert: 06.12.2023

Wesentliche Aktivitäten bei Teamarbeit und insbesondere bei kreativer Problemlösung sind neben divergenten Phasen stets auch konvergente Arbeitsschritte zur Strukturierung und Reduktion von Komplexität. In divergenten Phasen steht Quantität im Vordergrund: Es sollen möglichst viele Ideen oder Entscheidungsalternativen generiert werden. Dagegen zielen konvergente Phasen auf Qualität: die besten Vorschläge sollen ausgewählt und weiterbearbeitet werden.

Vor- und Nachteile von klassischem Dotvoting mit Mehrheitsregel

Ein sehr verbreitetes Verfahren für die Auswahl von Ideen bzw. Alternativen in Teams ist Dotvoting. Beim Dotvoting erhalten die Gruppenmitglieder eine jeweils begrenzte Anzahl von Klebepunkten, die sie nach gewissen Regeln auf die verschiedenen Vorschläge verteilen können (siehe Artikel zu Dotmocracy). Alternativ können auch Markierstifte verwendet werden, wenn keine Klebepunkte verfügbar sind. Ein Punkt repräsentiert dabei eine Stimme. Sobald alle Gruppenmitglieder ihre Punkte verteilt haben, werden diese je Vorschlag aufaddiert. Gemäß der Mehrheitsregel werden die Ideen mit den meisten Stimmen identifiziert und ausgewählt – Demokratie in Reinform!?

Klassisches Dotvoting (mit Mehrheitsregel) bietet die Vorteile, dass es schnell durchgeführt werden kann und leicht verständlich ist. Demgegenüber stehen jedoch auch verschiedene Nachteile:

  • In der Regel sind Teammitglieder überzeugt von den Vorzügen ihrer eigenen Vorschläge und verfolgen möglicherweise gewisse Eigeninteressen („Mehr Kompetenzen für die Marketingabteilung!“) – ansonsten hätten sie diese vermutlich nicht eingebracht. Freies Dotvoting birgt daher die Gefahr, dass die Gruppenmitglieder ihre Punkte tendenziell auf die eigenen Vorschläge verteilen. Dies führt dazu, dass relativ viele Vorschläge ähnlich gut abschneiden. Das Ziel, die besten Ideen zu identifizieren, wird dadurch verfehlt.
  • Ein weiteres Problem von Dotvoting liegt darin, dass es im Nachgang nicht möglich ist zu bestimmen, ob ein Vorschlag mit relativ vielen Punkten eine breite Zustimmung erfahren hat (d.h. viele Gruppenmitglieder haben dem Vorschlag jeweils eine Stimme gegeben) oder „lediglich“ von einer enthusiastischen Minderheit unterstützt wird (d.h. wenige Gruppenmitglieder haben dem Vorschlag viele ihrer Stimmen gegeben)

Dotvoting kann somit – ohne entsprechende Gegenmaßnahmen – zu verzerrten, unintuitiven Ergebnissen führen. Eine von vielen Alternativen zur klassischen Mehrheitsregel, die dennoch vergleichsweise einfach durchzuführen ist, ist quadratisches Voting (engl. Quadratic voting).

Quadratisches Voting spornt Gruppenmitglieder an, gemäß ihrer wahren Vorlieben abzustimmen

Die Grundidee des quadratischen Votings ist die, dass alle Teammitglieder jeweils ein bestimmtes Budget an Stimmen (z.B. 16 Stimmen) erhalten, dass sie „ausgeben“ können. Die Abstimmung erfolgt wie beim Dotvoting über die Verteilung von Klebepunkten (bzw. adäquaten Ersatz wie Textmarker). Der Unterschied liegt jedoch darin, dass unter Umständen nicht alle Stimmen gleichwertig sind! Möchte das Gruppenmitglied einem Vorschlag mehr als einen Klebepunkt (d.h. eine Stimme) geben, steigen die „Kosten“ (in Form von Stimmen) für das Gruppemitglied mit jedem zusätzlichen (eigenen) Klebepunkt: sie betragen das Quadrat der Klebepunktzahl an Stimmen (je Vorschlag):

Anzahl von (eigenen) Klebepunkten
(für einen bestimmten Vorschlag)
Kosten
11 Stimme
24 Stimmen (2*2)
39 Stimmen (3*3)
416 Stimmen (4*4)

Ein Klebepunkt je Vorschlag entspricht wie beim Dotvoting exakt einer Stimme. Zwei Klebepunkte kosten das Gruppenmitglied bereits vier Stimmen (2*2). Drei Klebepunkte kosten neun Stimmen (3*3) und so weiter. Bei einem Budget von z.B. 16 Stimmen darf das Gruppenmitglied daher beispielsweise maximal vier Punkte an einen einzelnen Vorschlag vergeben (und sonst keine mehr, da das Budget von 16 Stimmen bereits aufgebraucht wäre). Alternativ könnte das Gruppenmitglied jeweils einen Klebepunkt auf 16 Vorschläge verteilen (jeder Punkt entspricht exakt einer Stimme). Oder aber das Gruppenmitglied verteilt z.B. jeweils zwei Klebepunkte (4 Stimmen) auf drei Ideen und die übrigen vier Klebepunkte jeweils auf vier weitere Vorschläge.

Vor- und Nachteile von quadratischem Voting

Der Vorteil von quadratischem Voting liegt darin, dass Gruppenmitglieder ihre tatsächlichen Präferenzen besser ausdrücken können als bei Mehrheitsvoting. Mit quadratischem Voting kann besser ermittelt werden, ob die starke Präferenz einer Minderheit die schwache Präferenz der Mehrheit überwiegt.

Zu den Nachteilen von quadratischem Voting gehört der etwas größere Aufwand in der Durchführung. Die Einhaltung des Stimmbudgets je Gruppenmitglied muss aufmerksam geprüft werden.

Fazit: Quadratisches Voting

Für quadratisches Voting spricht, dass verschiedene Verzerrungseffekte der klassischen Mehrheitswahl entschärft werden. Die Assoziation von zusätzlichen Stimmen je Vorschlag mit überproportional steigenden „Kosten“ bietet den Gruppenmitgliedern einen Anreiz, gemäß ihrer wahren Präferenzen abzustimmen. Sofern der etwas erhöhte administrative Aufwand in Kauf genommen wird, stellt quadratisches Voting eine sehr gute Alternative zu Dotvoting dar.